Crawling Peg

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Fertig.gif Dieser Artikel wurde durch den Review-Prozess vervollständigt und korrigiert. Der Bearbeiter hat den Artikel zur Bewertung eingereicht. --Katjahesse 20:52, 22. Apr. 2008 (CEST)

Beim Crawling-Peg-System (auch Crawl, gleitende Paritäten genannt) ändern sich die Wechselkurse nicht auf einmal beträchtlich, sondern mehrfach in kleineren Schritten. Eine im Vorfeld festgelegte und bekannt gegebene Wechselkursänderungsrate darf gegenüber einer Auslandswährung bzw. eines ausländischen Währungskorbes oder auch gekoppelt an ausgewählte makroökonomische Indikatoren binnen eines Jahres nicht überschritten werden.

Definitionen

In der Literatur gehen die Definitionen zum Crawling Peg verschiedener Autoren in unterschiedlichen Bereichen sehr weit auseinander:


  • Heine/ Herr: „Bei einem Crawling Peg gibt die Zentralbank eines Landes bekannt, mit welchem Prozentsatz der Wechselkurs wöchentlich, monatlich etc. abgewertet wird. [..] allein die Zentralbank, die einem Crawling Peg folgt, [muss] für die Einhaltung der angestrebten Wechselkursentwicklung sorgen.“ [1]

Generell steht nicht nur eine Abwertung der eigenen Währung im Vordergrund, theoretisch kann auch eine Aufwertung erfolgen, auch wenn dieser Fall kaum auftritt.
Diese beiden Autoren beziehen sich nur auf den vorgegebenen Prozentsatz und nicht auf die Möglichkeit auch die Entwicklung ökonomischer Größen (z.B. Inflation) bei der gleitenden Paritätsanpassung zu berücksichtigen.


  • Dieckheuer: „Ein Land verändert die Parität seiner Währung oder verschiebt das Band, in dem sich der Wechselkurs der eigenen Währung befinden darf, mit einer gewissen Regelmäßigkeit. Dabei wird der Wechselkurs (bzw. der Mittelkurs im Fall der Bandfixierung) entweder mit festen, vorher angekündigten Raten verändert oder an die Entwicklung festgelegter ökonomischer Indikatoren (z.B. an die Entwicklung von Preisrelationen) angepasst.“ [2]

Dieckheuer hebt in seiner Begriffsbestimmung hervor, dass sich der Wechselkurs nicht nur an den angekündigten Raten orientiert, sondern auch die Möglichkeit besteht, sich an die Entwicklung eines bestimmten Indikators zu binden. Genau das ließen die Autoren Heine und Herr unberücksichtigt.
Weiterhin mach diese Definition deutlich, dass es sich bei der Variante des Crawling Band um eine Art des Crawling Peg handelt und wird dem untergeordnet. Sehr viele andere Autoren sind der gleichen Meinung (z.B. werden in fast allen Quellen u. a. die Länder Ungarn, Brasilien und Polen zum Crawling-Peg-System gezählt, tatsächlich nutzten sie aber ein Crawling-Band-System), andere hingegen nehmen eine Unterscheidung vor.


  • Internationaler Währungsfond (IWF): Die Währungsanpassung erfolgt in regelmäßigen Abständen vis-à-vis einer einheitlichen Währung und einem Korb in kleinen Beträgen zu einem festen Satz oder in Reaktion auf Veränderungen der selektiven quantitativen Indikatoren (vergangene Inflationsunterschiede mit den wichtigsten Handelspartnern, Unterschiede zwischen der prognostizierten und geplanten Inflationsrate mit wichtigen Handelspartnern, Unterschiede zwischen den offiziellen und entsprechenden Marktpreisen, etc.). [3]

Im Vergleich zur Definition u. a. von Dieckheuer trennt der IWF strikt das Crawling Band vom Crawling Peg und ordnet es nicht wie viele andere Autoren dem Crawling Peg unter. Der Crawling Peg stellt hier ein Punktziel dar und nicht eine Bandbreite, in der sich die Paritätsanpassung befinden kann.

Begriffseinordnung

Beim Crawling Peg handelt es sich um ein Wechselkurssystem (auch Wechselkursregime), das weder dem variablen noch dem festen Wechselkurssystem zugeordnet werden kann, sondern in der Literatur der Zwischenlösung (auch Zwischenregime) zugeordnet wird. Bei der weiteren Einteilung dieser Zwischenlösungen gehen die Ansichten der Autoren verschiedene Wege.
Die vorliegende Betrachtungsweise beruht auf der offiziellen Klassifikation des Internationalen Währungsfonds. Die offizielle Wechselkursregime-Einteilung von 1975 bis 1998, bei der es drei Hauptkategorien gab wurde im Januar 1999 von einem neuen Klassifikationsschema, das auf Facto-Politik basiert und detaillierter aufgebaut ist, abgelöst. Das sogenannte „De Facto Classification of Exchange Rate Regime” besteht insgesamt aus dreizehn verschiedenen Wechselkursregimes, die drei Hauptgruppen zugerechnet werden („Hard Pegs Regimes“ (3), „Floating Regimes“ (2) und „Intermediate Regimes“ (8)). [4]


Wechselkurszwischenregimes
Soft pegs 8. Tightly managed floats
Conventional fixed pegs 3. Horizontal bands Crawling peg Crawling band
1. Vis-à-vis a single currency 2. Vis-à-vis a basket 4. Forward looking 5. Backward looking 6. Forward looking 7. Backward looking

Übersicht der Zwischenregimes[5]


Es werden grundsätzlich zwei Varianten des Crawling Peg unterschieden:

  • a) aktiver (vorausschauender) Crawl
festgelegte Abwertungsrate < erwartete Inflationsdifferenz (Differenz zwischen Zielinflationsrate und der ausländischen Inflationsrate)
Aufwertung der Inlandswährung
  • b) passiver (rückblickender) Crawl
festgelegte Abwertungsrate = erwartete Inflationsdifferenz
Wechselkurs bleibt konstant

Historischer Abriss

Oft ist die Literatur der Meinung, dass Sir Henry Roy Forbes Harrod in seinem Werk „International Economics“ 1933 das erste Mal das Crawling-Peg-System umschrieben hat. Tatsächlich hatte aber sein Freund John Maynard Keynes [6] in seiner Empfehlung für die Genua Konferenz 1922 schon die Idee des Crawling Peg aufgegriffen. [7]
Laut einer Studie des IWF gibt es in den letzten Jahren von mal zu mal weniger Länder, die als Wechselkurssystem den Crawling Peg auswählen. Der Anteil vom Crawling Peg vom gesamten Wechselkurszwischenregime lag 1990 noch bei 13,6 % und 1993 sogar bei 15 %, so waren es 2001 nur noch 5,6 %. Der Trend hält weiterhin an, im Jahr 2007 wählten den Crawling Peg nur noch sechs Länder. Aber v. a. das Crawling-Band-System, welches meistens zum Crawling Peg zugerechnet wird, wird kaum noch von den Ländern in Anspruch genommen.

Jahr Länder mit Crawling-Peg-System Länder mit Crawling-Band-System
1999 Angola, Bolivien, Costa Rica, Nicaragua, Tunesien, Türkei 6 Chile, Honduras, Israel, Kolumbien, Polen, Sri Lanka, Ungarn, Uruguay, Venezuela 9
2000 Costa Rica, Nicaragua, Türkei 3 Israel, Honduras, Polen, Sri Lanka, Ungarn, Uruguay, Venezuela 7
2001 Bolivien, Costa Rica, Nicaragua, Zimbabwe 4 Israel, Honduras, Ungarn, Uruguay, Venezuela 5
2002 Bolivien, Costa Rica, Nicaragua, Salomonen 4 Weißrussland, Honduras, Israel, Rumänien, Uruguay, Venezuela 6
2003 Bolivien, Costa Rica, Nicaragua, Salomonen, Tunesien 5 Weißrussland, Honduras, Israel, Rumänien, Slowenien 5
2004 Bolivien, Costa Rica, Nicaragua, Salomonen, Tunesien 5 Weißrussland, Honduras, Israel, Rumänien, Slowenien 5
2005 Bolivien, Costa Rica, Honduras, Nicaragua, Salomonen 5 Weißrussland 1
2006 Bolivien, Botswana, Costa Rica, Iran, Nicaragua 5 0
2007 Aserbaidschan, Botswana, China, Irak, Nicaragua, Sierra Leone 6 Costa Rica 1

Quelle: IMF Annual Report 1999-2007

Länder mit Crawling Peg

Allgemeines

Länder, die sich für ein Crawling-Peg-System entschieden haben, versuchen die kurzfristigen Vorteile einer Wechselkursfixierung und die der Wechselkursflexibilisierung zu kombinieren. Dieses Wechselkurssystem ziehen vor allem Hochinflationsländer einer Fixierung vor, denn es besteht die Möglichkeit einer optimalen Inflation, z.B. durch Seigniorage-Einnahmen (der Staat bringt mehr Geld in Umlauf, kann somit mehr Waren und Dienstleistungen in Anspruch nehmen und erzielt dadurch einen Geldschöpfungsgewinn), um so die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Landes sicherzustellen. [8] Des Weiteren bringt eine teilweise Wechselkursfixierung z.B. an eine Leitwährung viel Vertrauen und Glaubwürdigkeit anderer Länder, augrund des raschen Abbaus hoher Inflationsraten, entgegen.

Anwendungsbeispiel: Ungarn

Im März 1995 wurde in Ungarn das Adjustable-Peg-System vom Crawling-Peg-System abgelöst und die monatlichen Abwertungsraten von 1,9 v.H. auf 1 v.H. vermindert. Das Ziel dieser Zentralbankpolitik war die Inflationsbekämpfung, denn die monatlichen Abwertungsraten wurden unterhalb der Preissteigerungsrate festgelegt (aktiver Crawl). Nach weiteren geld-, fiskal- und einkommenspolitischen Maßnahmen konnte sich der Forint bereits im Sommer 1995 stabilisieren und die Kapitalimporte nahmen rasch zu. [9]
Ungarn gehört zu einen der sicheren Kandidaten, die zukünftig der Euro-Zone beitreten. Ein EWU-Kandidat muss sich gemäß Vertrag mindestens zwei Jahre lang in einem Wechselkursband von +/- 15 % befinden. Für den möglichen Beitritt war allerdings ein Wechselkursregimewechsel notwendig, denn der Crawling Peg wird nicht als „aktive währungspolitische Vorbereitung“ für die Euro-Teilnahme berücksichtigt und als völlig ungeeignet bewertet. [10] Ungarn wollte natürlich, wie alle anderen Mitgliedsstaaten, die vorgegebenen EU- Konvergenzkriterien erfüllen. Der ungarische Forint wurde daher in Gestalt eines Crawling Peg zum 1. Oktober 2001 abgeschafft und ein Wechselkursband gekoppelt an den Euro eingeführt. [11]

Einzelnachweise

  1. Michael Heine/ Hansjörg Herr: Volkswirtschaftslehre. Oldenbourg, München/Wien 2003, S. 613
  2. Gustav Dieckheuer: Internationale Wirtschaftsbeziehungen. Oldenbourg, München/Wien 2001, S.253
  3. Andrea Bubula/ Inci Ötker-Robe: The Evolution of Exchange Rate Regimes Since 1990: Evidence from De Facto Policies. IMF – Working Paper, September 2002, S. 15
  4. Andrea Bubula/ Inci Ötker-Robe: The Evolution of Exchange Rate Regimes Since 1990: Evidence from De Facto Policies. IMF – Working Paper, September 2002, S. 6-8
  5. Andrea Bubula/ Inci Ötker-Robe: The Evolution of Exchange Rate Regimes Since 1990: Evidence from De Facto Policies. IMF – Working Paper, September 2002, S. 14
  6. Roy Forbes Harrod, Sir:The Life of John Maynard Keynes. MacMillan, London 1951
  7. Harold L. Wattel: The Policy Consequences of John Maynard Keynes. M.E. Sharp, 1985, S.151ff.
  8. Toren, Susanne: Der Einsatz des Wechselkurses als nominaler Anker in den CEFTA-Staaten zwischen 1989/90 und 1997. Dissertation Universität Göttingen, 1999, S. 170
  9. Toren, Susanne: Der Einsatz des Wechselkurses als nominaler Anker in den CEFTA-Staaten zwischen 1989/90 und 1997. Dissertation Universität Göttingen, 1999, S. 182 ff.
  10. Axel Jochem/ Friedrich L. Sell: Währungspolitische Optionen für die Mittel- und Osteuropäischen Beitrittskandidaten zur EU. Mohr Siebeck, Tübingen 2001, S. 56 ff. und S. 179 ff.
  11. Bundesministerium der Finanzen, Monatsbericht des BMF Mai 2002, S. 78 ff.

Literatur

  • Borchert, Manfred: Außenwirtschaftslehre. Gabler, Wiesbaden 2001, ISBN 3409639071
  • Bubula, Andrea/ Ötker-Robe, Inci: The Evolution of Exchange Rate Regimes Since 1990: Evidence from De Facto Policies. IMF – Working Paper, September 2002
  • Dieckheuer, Gustav: Internationale Wirtschaftsbeziehungen. Oldenbourg, München/Wien 2001, ISBN 3486258060
  • Gandolfo, Giancarlo: International Finance and Open-Economy Macroeconomics. Springer, Rom 2001, ISBN 3540417303
  • Harrod,Roy Forbes, Sir: The Life of John Maynard Keynes. MacMillan, London 1951, ISBN 1125395982
  • Heine, Michael/ Herr, Hansjörg: Volkswirtschaftslehre. Oldenbourg, München/Wien 2003, ISBN 3486272934
  • Jarchow, Hans-Joachim / Rühmann, Peter: Monetäre Außenwirtschaft II – Internationale Wirtschaftspolitik. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2002, ISBN 3825213358
  • Jochem, Axel/ Sell, Friedrich L.: Währungspolitische Optionen für die Mittel- und Osteuropäischen Beitrittskandidaten zur EU. Mohr Siebeck, Tübingen 2001, ISBN 3161475291
  • Krugmann, Paul R./Obstfeld, Maurice: Internationale Wirtschaft - Theorie und Politik der Außenwirtschaft. Pearson Studium, München 2006, ISBN 3827371996
  • Siebert, Horst: Weltwirtschaft. UTB, Stuttgart 1997, ISBN 3825281485
  • Toren, Susanne: Der Einsatz des Wechselkurses als nominaler Anker in den CEFTA-Staaten zwischen 1989/90 und 1997. Dissertation Universität Göttingen, 1999
  • Wattel, Harold L.: The Policy Consequences of John Maynard Keynes. M. E. Sharp, 1985, ISBN 0873323165

Weblinks