Teilspielperfektes Gleichgewicht

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Ein Teilspielperfekte Gleichgewicht ist ein Begriff aus Spieltheorie und wird beschrieben als Situation nach einigen Zügen im Verlauf eines extensiven Spiels kann als eigenständiges Spiel aufgefasst werden, falls jeder Spieler vollständig über die vorangegangenen Züge informiert wurde. Der artige Substrukturen werden Teilspiele genannt.

Generell beginnt in jedem Entscheidungsknoten eines Spielbaums ein Teilbaum, der alle von dort aus weiterführenden Ästen und Knoten umfasst. Enthält jeder Informationsbezirk, der einen Knoten des Teilbaums umfasst, nur Knoten dieses Teilbaumes, so entspricht dem Teilbaum ein Teilspiel. D.h. Teilspiele sind informationsmäßig abgeschlossene Teilbäume.

Bevor wir eine präzise Formulierung dieses neuen Gleichgewichtskonzeptes geben, müssen wir zunächst den Begriff des Teilspiels eines Extensivformspiels einführen.

Ausführliche Definition und Einordnung des Teilspiels eines Extensivformspiels:

Ein Teilspiel ist ein Teil des Spiels, den man für sich allein genommen auch als ganzes Spiel ansehen kann[1]. Gegeben sei ein Extensivformspiel E und ein Knoten x ϵ X. Lassen wir ein neues Extensivformspiel in x beginnen, d.h. betrachten wir x als Anfangsknoten eines neuen Extensivformspiels, in dem alle Pfade aus den Pfaden von E bestehen, die durch den Knoten x gehen, so erhalten wir ein Teilspiel Ex, sofern folgende Restriktionen erfüllt ist: Alle Informationsmengen von E gehört entweder Ex oder nicht, d.h. durch Teilspielbildung sollen keine Informationsmengen zerschnitten werden. Das in x beginnende Teilspiel zerschneidet die Informationsmenge und Wollte man Ex als Teilspiel zulassen, so wäre damit die strategische Situation des Spielers, der in u am Zuge ist, gegenüber dem ursprünglichen Spiel E geändert, denn er weiß in Ex genau welche Aktion ein Gegenspieler auf der vorhergehenden Stufe gewählt hat.[2]Abbildung 1.1 stellt einen Teil des Spielbaums eines Spiels dar, in dem diese Eigenschaft verletzt ist.

Abb. 1.1 Teilspiel Ex Verletzt die Teilspiel-Forderung

Gegeben sei eine Konfiguration von Verhaltensstrategien b, dann bezeichne im folgenden bx die von b auf Ex induzierte Konfiguration von Verhaltensstrategien. Um bx zu implementieren, müssen wir nur die Verhaltensstrategie bi jedes Spielers auf die in Ex vorhandenen Informationsmengen einschränken. Mit diesen Vorbereitungen können wir das Konzept des teilspielperfekten Gleichgewichts definieren.

Teilspielperfektes Gleichgewicht Definition

Das teilspielperfekte Nash-Gleichgeweicht ist eine Verfeinerung des Nash- Gleichgewichts: Teilspielperfektheit fordert, dass die Nash- Gleichgewichtsbedingung nicht nur für das gesamte Spiel gilt, sondern auch für jedes seiner Teilspiele. In der Praxis bedeutet Teilspielperfektheit, dass man das Spiel von hinten her löst[3]. Die Teilspielperfektheit ist eine der wichtigsten Verfeinerungen des Nash-Gleichgewichts überhaupt und wird einfach stillschweigend angewandt, wenn es noch weitere nicht teilspielperfekte Gleichgewichte gibt. Es ist aber nicht ganz so harmlos wie es auf den ersten Blick scheint[4]

Damit wir die Idee in einer klaren Art und Weise liefern können, müssen wir auf Chain Store-Spiel zu sprechen kommen. Das von Reinhard Selten 1978 ursprünglich diskutiert wurde. Im Originalspiel wird angenommen, dass der Monopolist 20 Filialen in verschiedenen Städten hat. In jeder Stadt könnte ein potentieller Konkurrent in den Markt eintreten. In der einfachsten Version dieses Spiels wird angenommen, dass die potentiellen Konkurrenten in einer vorgegebenen Reihenfolge sequentiell in den jeweiligen Markt eintreten können.

Hier verzichten wir darauf, den komplexen Spielbaum dieses Spiels darzustellen, sondern versuchen, ein teilspielperfektes Gleichgewicht durch plausible Argumentation abzuleiten. Dazu betrachten wir die Situation auf dem letzten Markt, nachdem bereits 19 Eintrittsmöglichkeiten analysiert wurden. Strategisch haben wir ein Problem, dessen einziges teilspielperfektes Gleichgewicht ist, unabhängig von den Aktionen der Spieler auf den vorhergehenden Stufen. Nun betrachte man die vorletzte Stufe. Da die Entscheidungen in der letzten Stufe nicht von den Entscheidungen der vorletzten Stufe abhängen.

Wir können diese Überlegung bis zur ersten Stufe des Spiels fortführen und stellen fest, dass das einzige teilspielperfekte Gleichgewicht darin besteht, dass jeder Konkurrent auf den Markt tritt und der Monopolist auf allen Märkten friedlich reagiert. Diese Argumentation, mit der man in der Regel teilspielperfekte Gleichgewicht leicht bestimmen kann, wird Rückwärtsinduktion genannt. Das soeben abgeleitete Resultat ist in der Literatur auch als Chain Store-Paradox bekannt[5]. Paradox ist eine ganz spezielle Situation als Ergebnis vollkommen rationalen Argumentierens abgeleitet wird, die offenbar in striktem Gegensatz zu einem empirisch relevanten Problem, nämlich den häufig zu beobachtenden Markteintrittskämpfen steht.

Zudem steht das Resultat auch in krassem Gegensatz zu experimentellen Resultaten, die zeigen, dass Probanden in den ersten Perioden als Monopolisten aggressiv reagieren, also zuerst Reputation aufbauen und erst gegen Ende des Spiels friedliche Marktteilung praktizieren. Zwei Auswege aus diesem Paradox wurden in der Literatur vorgeschlagen:

  • Reinhard Selten selbst 1978 hat erklärt, dass Entscheider im Allgemeinen nicht in der Lage sind, die Rückwärtsinduktion über viele Perioden hinweg durchzuführen.
  • Der zweite Ausweg lässt sich unter dem Begriff Reputationsgleichgewichte oder Spielen mit unvollständiger Information[6] subsumieren. Die grundlegende Idee besteht hier darin anzunehmen, dass die Spieler nicht vollständig über die relevanten Daten der Gegenspieler wie beispielsweise die Auszahlungsfunktionen informiert sind.

Ausgehend von dem zweiten Ausweg, wird die Bedeutung von unvollständigen Informationen detailliert eingehen.

Unvollkommener Informationen

Diese Idee scheint eine natürliche Annahme zu sein, wenn man reale Markteintrittssituationen betrachtet. Hier sind die Konkurrenzfirmen in der Regel nicht vollständig über die Kosten- und Gewinnstruktur der marktansässigen Monopolisten informiert. In diesem Modellrahmen kann der Monopolist dann durch aggressive Reaktion in den ersten Perioden den Glauben der Konkurrenten verstärken, dass es bei seiner Kosten- und Gewinnstruktur profitabel ist, aggressiv auf einen Markteintritt zu reagieren.[7] Diese Form soll kurz anhand eins Beispiels für den Fall eines allgemeinen Zwei-Personen-Spiels veranschaulicht werden. Gegeben seien zwei Spieler (i=1,2), denen jeweils zwei Strategien (ai1,ai2) als Zugmöglichkeiten zur Auswahl stehen. Die Strategie eines Spielers besteht hier also aus genau einem Zug. Jeder Spieler entscheidet über seine Strategien, ohne die Wahl des anderen zu kennen. Um zu kennzeichnen, dass beide Spieler nicht über die Entscheidung des anderen informiert sind, werde eine Linie um die beiden Knoten der zweiten Ebene gezogen. Diese Linie gibt an, dass in den durch sie eingerahmten Konten derselbe Informationsstand besteht;[8] sie gehören zu ein und demselben Informationsbezirk. Das bedeutet, Spieler 2 hat keine Information darüber, welcher Auswahl sein Gegenspieler trifft, obwohl nach der Struktur des Baumes die Entscheidung des Spieler 1 vorausgeht. Für diese Situation ergibt sich der folgende Spielbaum in Abbildung 1.2.

Abb. 1.2 Spielbaum für ein allgemeines Zwei-Personen-Spiel

Spieler 1 hat damit genau einen Informationstand, was sich daraus begründet, dass beide gleichzeitig – in Unkenntnis der gegnerischen Auswahl – entscheiden. Spieler 2 besitzt also keinen Vorteil gegenüber Spieler 1. Da Spieler 2 nicht unterscheiden kann, an welchen der beiden Knoten der zweiten Ebene er sich befindet, spricht man in diesem Zusammenhang auch von unvollkommener oder imperfekter Information[9]. Da für Spieler 2 in dieser Spielsituation kein Vorteil gegenüber Spieler 1 besteht, ist es hier auch unerheblich, ob in dem Spielbaum der erste Knoten die Auswahl des ersten oder des zweiten Spielers symbolisieren soll[10]. Der Knoten in der ersten Ebene kann ebenso die zu treffende Entscheidung des zweiten Spielers angeben und die durch die Linie eines Informationsstandes verbundenen Knoten in der zweiten Ebene die Auswahl des ersten Spielers, ohne das sich die Situation wesentlich verändert hätte. Zwar erfolgte dann die Entscheidung des Spieler 1 nachgelagert, aber aufgrund der Prämisse des gleichen Informationsstandes erwächst auch ihm daraus kein Vorteil.

Von Neumann und Morgenstern haben für diese Unterscheidung das Begriffspaar des zeitlichen und sachlichen Vorausgehens geprägt[11]. Zeitliche Vorausgehen bedeutet, dass die Entscheidung eines Spielers der des anderen zeitlich vorgelagert ist, sachliches Vorausgehen impliziert einen erhöhten Kenntnisstand des Spielers, der als zweiter am Zug ist. In dem Spielbaum aus Abbildung 1.2 liegt demnach ein zeitliches Vorausgehen des ersten Spielers vor, aus dem aber kein sachliches folgt. Aus diesem Grund kann ein Spielbaum im Unterschied zu einem Entscheidungsbaum auch zur Darstellung von simultan zu treffenden Entscheidungen herangezogen werden. Man könnte in diesem Zusammenhang auch sagen, die Spieler entscheiden sachlich simultan.

Beispiel

Wir haben zwei Firmen (U1, U2). Die U2 hat vor vielen Jahren ein sehr erfolgreiches Produkt entwickelt. Nun ist aber das Patent für dieses Produkt abgelaufen, sodass die kleine Firma (U1) sich überlegt ein ähnliches Produkt zu produzieren. Entweder droht der Monopolist (U2) daraufhin im Falle eines Markteintritts durch die U1 einem stärken Preiskampf zu beginnen, damit die U1 nicht in dem Markt einzutreten. Oder sie hat die Option nicht zu kämpfen. Der beteiligten Spieler sind der Monopolist (U2), und die kleine Firma (U1). Der (U1) ist zuerst am Zug und bestimmt, ob sie in den Markt eintreten soll oder nicht. Daraufhin entscheidet der Monopolist (U2), ob er kämpft oder nicht kämpft. Die Auszahlungsfunktionen werden durch folgende Auszahlungstabelle repräsentiert:

U2
kämpfen nicht kämpfen
U1 eintreten -500,-1000 500,500
nicht eintreten 0,1000 0,1000

In der Normalform gibt es zwei Nash-Gleichgewichte (500,500) und (0,1000). Es ist aber in der Normalform allein durch die Gleichgewichtbedingung nicht möglich, die unterschiedliche Qualität der beiden Nash-Gleichgewichte zu erkennen.

Allerdings Teilspielperfektheit stellt eine sehr strenge Anforderung an die Rationalität der Spieler dar. Dazu fassen wir die Situation als Spiel in der Extensivform durch folgende Abbildung 1.3 auf:

Abb. 1.3 Spielbaum für ein Markteintritt Beispiel

Wir können dieses Spielbaum aufteilen, das bedeutet jeden Knoten kann ein Teilspiel sein. Damit wir jeder Teil alleine lösen können. Ein teilspielperfektes Gleichgewicht kann durch Rückwärtsinduktion bestimmt werden: Entsprechend der Rückverfolgung untersuchen wir zunächst die Entscheidungsalternativen des Monopolisten. Auf der Stufe _ die in Grau markiert _ wählt der Monopolist (U1), nicht zu kämpfen, da er dadurch einen höheren Profit erzielt werde (500).

Nun wird vor diesem Hintergrund die beste Strategie für (U2) ermittelt und das ist auf jeden Fall der Markteinzutreten (ein Gewinn in Höher von 500 ist besser als einer von 0).

Der optimale Pfad wird, die U2 in dem Markt einzutreten und die U1 nicht zu kämpfen, der Teilspielperfektes Nash-Gleichgewicht.

Kategorisierung nach JEL Klassifikation

  • C Mathematical and Quantitative Methods
  • C7 Game Theory and Bargaining Theory
  • C720 Noncooperative Games

Literaturverzeichnis

  • Bamberg, G. Coenenberg, A. G. Betriebswirtschaftliche Entscheidungslehre, 7.Aufl., München 1992.
  • Berninghaus, S. Strategische Spiele, Berlin 2002.
  • Holler M. J. Illing, G. Einführung in die Spieltheorie, 2 Aufl., Berlin, Heidelberg, New York 1993.
  • Höfer, S. Strategische Allianzen und Spieltheorie, Lohmar, Köln 1997.
  • Luce, R: D., Raiffa, H. Games and Decisions, New York, London, Sydney 1957.
  • Neumann, J. von, Morgenstern, O. Spieltheorie und wirtschaftliches Verhalten, Würzburg 1961.
  • Rieck, C. Spieltheorie, Wiesbaden 1993.
  • Winand, U. Spieltheorie und Unternehmungsplanung, Berlin 1978.

Einzelnachweise

  1. In: Professor Rieck's Spieltheorie-Seite Version vom: 25. 09 15 (Abgerufen: 03. Januar 2020.)
  2. Vgl.LUCE, R: D., RAIFFA, H. (Games), S.39; RIECK, C. (Spieltheorie), S. 90.
  3. In: Professor Rieck's Spieltheorie-Seite Version vom: 25. 09 15 (Abgerufen: 03. Januar 2020.)
  4. Vgl.RIECK, C. (Spieltheorie), S. 93
  5. Berninghaus, S. (2002). (Strategische Spiele). Berlin: Springer, S.109.
  6. Vgl. HOLLER, M.J. ILLING, G. (Einführung), S. 14; REICK, C. (Spieltheorie), S.95. Bamberg/Coenenberg, Vgl. BAMBERG, G., COENENBERG, A. G. (Entscheidungslehre), S.156
  7. Vgl.Berninghaus, S. (2002). (Strategische Spiele). Berlin: Springer, S.109
  8. Vgl. z.B. BAMBERG, G., COENENBERG, A. G. (Entscheidungslehre), S.157f; LUCE, R: D., RAIFFA, H. (Games), S.41f; RIECK, C. (Spieltheorie), S. 93. Diese Linie kann auch um jeden einzelnstehenden Knoten gezogen werden, um jeweils einen Informationsstand zu signalisieren; darauf wurde jedoch aus Übersichtlichkeitsgründen verzichtet.
  9. Vgl. HOLLER, M. J., ILLING, G. (Einführung), S. 14; RIECK, C. (Spieltheorie), S. 95. Bamberg/Coenenberg bezeichnen diesen Tatbestand als unvollständige Information, vgl. hierzu jedoch die Ausführungen in Abschnitt 4.2.2.3. Vgl. BAMBERG, G. COENENBERG, A. G. (Entscheidungslehre), S. 156.
  10. Zu diese Idee kommt auch Winand, vgl. WINAND, U. (Spieltheorie), S. 25
  11. Vgl. NEUMANN, J. VON, MORGENSTERN, O. (Spieltheorie), S. 51f